Schwachstelle Herzklappen

Wenn eine oder mehrere Herzklappen erkrankt sind, können sie ihre Ventilfunktion nicht mehr ordnungsgemäß wahrnehmen: Der Blutfluss durch das Herz ist blockiert ..

Herzinfarkt ist eher Männersache. Das ist nicht nur ein Klischee, das sagt auch die Statistik. Doch beim Blick auf andere typische Herzleiden wie Rhythmusstörungen, Klappenerkrankungen und Herzschwäche zeigt sich ein ganz anderes Bild. Seit Jahren sind deutlich mehr Frauen unter den Toten als Männer, so jedenfalls heißt es im neuen Herzbericht. Apropos Herzklappenerkrankungen. Daran starben 2014 bundesweit 6180 Männer, dagegen 9884 Frauen.
Unerwartet groß nennen Fachleute diesen Geschlechterunterschied. Ist die körperliche Belastbarkeit eingeschränkt beziehungsweise nimmt sie ab, können das Anzeichen für eine Herzklappenerkrankung sein. Atembeschwerden, Schwindel, Wassereinlagerungen in den Beinen oder auch kurze Bewusstseinsstörungen sind weitere mögliche Anzeichen. Allerdings treten diese typischerweise erst bei schweren Klappenerkrankungen auf.
Bei leichteren oder mittelschweren Erkrankungsstadien haben Patienten in der Regel keine auffälligen Symptome. „Die vier Herzklappen sorgen dafür, dass das Blut ins Herz hineingeleitet und aus dem Herzen auch wieder hinausgelassen wird. Zwei davon sind vom Aussehen und der Funktion her so genannte Segelklappen – die Mitralklappe und die Trikuspidalklappe – und regeln den Einlass des Blutes von den Vorhöfen in die Herzkammern. Die anderen zwei sind Taschenklappen – Pulmonalklappe und Aortenklappe. Sie sind das Tor zu den Ausstromgefäßen aus dem Herzen in die Lungenstrombahn bzw. in den großen Körperkreislauf“, erklärt Dr. Jochen Molling, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie im Klinikum in den Pfeifferschen Stiftungen. 

Bei Herzklappenfehlern können die rechte und/oder die linke Herzhälfte betroffen sein.

Sind die Herzklappen gesund, lassen sie das Blut ungestört ins Herz ein- und ausfließen. Der Blutstrom beeinflusst die passive Bewegung der Herzklappen, ähnlich wie der Wasserstrom die Tore einer Schiffsschleuse bewegt. „Die Segelklappen sind zusätzlich mit Sehnenfäden an der Herzwand fixiert, sodass ein Umschlagen der Klappensegen in die falsche Richtung unmöglich ist. Übrigens kann man die Taschenklappen hören, beim Zuschlagen sorgen sie für den zweiten Herzton“, sagt der Chefarzt. Sind die Herzklappen erweitert, verengt, nicht mehr dicht oder sogar eingerissen, schließen sie nicht mehr und das Blut strömt bei jedem Herzschlag in die Kammern beziehungsweise in die Vorhöfe zurück. Dadurch wird das Herz stark belastet und mit der Zeit so geschwächt, dass die Gesamtleistung des Betroffenen stark abnimmt. Im schlimmsten Fall kommt es zu Herzrhythmusstörungen oder gar zum Herzversagen.

Bei Herzklappenfehlern können die rechte und/oder die linke Herzhälfte betroffen sein.

  • Herzklappenfehler der linken Herzhälfte, dabei ist die Aorten- oder Mitralklappe betroffen. Es kommt zum linksseitigen Herzversagen (Herzinsuffizienz).
  • Herzklappenfehler der rechten Herzhälfte, dabei ist die Pulmonal- oder Trikuspidalklappe betroffen. Es kommt zum rechtsseitigen Herzversagen (Herzinsuffizienz). Wie enstehen überhaupt solche Erkrankungen? „Herzklappen sind einer großen mechanischen Belastung ausgesetzt. Mit 60 bis 90 Kontraktionen pro Minute pumpt das Herz rund 100.000 mal pro Tag 70 Milliliter Blut in den Kreislauf des Menschen. Es erreicht dabei einen Druck zwischen 100 und 180 Millimeter Quecksilbersäule. Würde diese Leistung durch ein technisches Gerät erbracht, könnte man hier nicht von einer wartungsfreien Lebensdauer von über 80 Jahren ausgehen. Sicher müssten immer wieder Verschleißteile, die Ventile, ausgetauscht werden.“ 

Die Herzklappen halten dieser mechanischen Belastung stand. Sie bestehen aus stabilem Bindegewebe mit einem sehr hohen Anteil an Kollagenfasern. Ihre Oberfläche ist mit einer dünnen Schicht aus Endothelzellen überzogen, die sich ständig erneuern und selbst reparieren. Die hauchzarte Struktur der Klappen garantiert, dass nur sehr geringe Druckunterschiede zum Öffnen und Schließen der Klappen notwendig sind. „Wie an anderen Stellen des Kreislaufsystems auch kommt es im Laufe des Lebens an den Herzklappen zu Verkalkungen und Ablagerungen, welche ihre Struktur und mechanischen Eigenschaften verändern und zu Verengungen (→ Klappenstenose) oder Undichtigkeiten (→ Klappeninsuffizienz) führen“, sagt Dr. Molling. So entstehe etwa die Aortenstenose meist infolge altersbedingter Verkalkungen der zarten Taschen der Aortenklappe, welche hierdurch ihre Flexibilität verlieren. Sie entwickelten sich zum zunehmenden Hindernis für den Auswurf von Blut aus der linken Herzkammer in den Körperkreislauf. Auch Entzündungen oder bakterielle Infektionen könnten die Struktur der Herzklappen angreifen und so ihre Funktion beeinflussen. Des Weiteren lägen bei etwa einem Prozent der Menschheit angeborene Herzklappenfehler vor, die im Laufe des Lebens zu Beschwerden führen können.

Die wichtigsten Ursachen für eine Herzklappenerkrankung hier im Überblick:


► Altersveränderungen der Herzklappen (Verkalkung).
► Eine Vergrößerung und Erweiterung der Herzkammern oder der Hauptschlagader, die auch die Herzklappe mit einbeziehen kann. Die Klappenränder reichen dadurch nicht mehr aneinander heran, die Klappe wird undicht.
► Bakterielle Infektionen der Herzklappe sowie chronische Entzündungen, die die Struktur der Herzklappe plötzlich oder in einem Jahrzehnte dauernden Prozess zerstören können.
► Veränderungen des Bindegewebes der Herzklappen (zum Beispiel beim Mitralklappenprolaps, eine meist angeborene Fehlbildung des Mitralklappenapparates).
► Seltene Ursachen (Brustkorbverletzungen, Herz- und Gefäßerkrankungen mit Klappenbeteiligung oder Herztumoren). Herzklappenerkrankungen treten meist im höheren Lebensalter auf. Ihre Diagnostik und Behandlung gehören in die Hände des Herzspezialisten, der eine weitere Abklärung durch eine Echokardiographie (Ultraschalluntersuchung des Herzens von der Speiseröhre aus) und falls erforderlich eine Herzkatheteruntersuchung durchführt.
♣ Was sind die häufigsten Herzklappenerkrankungen, die in den Pfeifferschen Stiftungen diagnostiziert werden? Meist liegt bei Erwachsenen eine Undichtigkeit der Mitralklappe oder eine Verengung der Aortenklappe vor.
♣ Welche Therapiemöglichkeiten gibt es? Eine Behandlung ist insbesondere bei schweren Herzklappenerkrankungen erforderlich, um die Symptome zu lindern und eine weitere Schädigung des Herzens im Langzeitverlauf zu verhindern. Medikamente können helfen, führen aber nie zur Heilung. Letztlich hilft dann nur die Reparatur oder der Ersatz der Herzklappe. Hierfür werden verschiedene Verfahren angewendet, von der offenen Herz-OP über minimal-invasive Verfahren in „Schlüssellochtechnik“ bis hin zu Behandlungen, bei denen die neue Herzklappe am wachen Patienten mit einem Katheter durch eine Leistenarterie eingesetzt wird. Diese neuen Verfahren ermöglichen heute eine schonende Behandlung, was unseren älteren und oft sehr kranken Patienten zugute kommt.
♣ Was genau ist unter Katheterverfahren zu verstehen, und welche Vorteile haben sie? Bei diesen Verfahren wird die neue Herzklappe zusammengefaltet, mit einem Katheter zum Herzen vorgebracht und dort freigesetzt. Sie übernimmt dann sofort die Funktion der kranken Klappe. Der große Vorteil dabei ist, dass das Herz nicht in einem chirurgischen Eingriff freigelegt werden und der Kreislauf während der OP nicht durch die Herz-Lungen-Maschine übernommen werden muss.
♣ Kann denn in jedem Fall auf eine große Herz-OP verzichtet werden? Katheterverfahren sind bisher nicht in jedem Fall zur Behandlung geeignet, nicht jede Klappenerkrankung kann man tatsächlich gleichwertig auf diese Weise behandeln. Sie kommen daher heute überwiegend bei älteren Patienten mit schweren Begleiterkrankungen zum Einsatz. In allen anderen Fällen erzielt die offene Operation sehr gute Ergebnisse, die oft sogar in minimal-invasiver Technik durchgeführt werden kann.