Seid glücklich!

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Am 20. 3 wurde der Internationale Tag des Glücks gefeiert, auch im Hospiz

Nichts ist so flüchtig und schwer bestimmbar wie das Glück. Kein anderes Gutes wird gleichermaßen von allen Menschen so gesucht.Heute wird der Internationale Tag des Glücks gefeiert. Ein „Aktionstag“, den die Vereinten Nationen 2012 beschlossen haben. So soll die Bedeutung des Strebens nach Glück und Wohlbefinden bewusst gemacht werden.
Es sind die Augenblicke, in denen das Leben auf einmal in anderem Licht erscheint, auf die man insgeheim hingelebt hat und von denen man lange zehren kann. Solange sie dauern, scheint die Zeit still zu stehen. Verschieden von solchen Augenblicken sind Illusionen und Träume vom Glück. Schnell entlarven sie sich bei genauer Betrachtung als trügerischer Schein. Deshalb ist auch die Enttäuschung eine Art Glückserfahrung, eine Verzweiflung, die heilt. Denn Enttäuschungen heben die Täuschung auf, befreien vom Schein und vermögen so dem Unglück eine merkwürdige Weise des Glücks abzutrotzen.

Das kann Rosemarie Schärf jetzt nicht mehr. Oder doch? Seit dem 9. Februar ist sie Hospizgast im Luisenhaus der Pfeifferschen Stiftungen. Es geht zu Ende. Die 71-Jährige hat Dickdarmkrebs im Endstadium. Was heißt Glück für sie, jetzt im Hier? An erster Stelle nennt sie das Hospiz, „weil ich hier Glücksmomente erleben und immer noch empfinden kann. Auch die Familie, dass es ihr gut geht...“

Für Frau Schärf sind Glück und Dankbarkeit dicht beieinander. „Im Hospiz komme ich mit meinen Gefühlen zur Ruhe. Es gilt, den Krebs einzuholen, ihn zu überholen und ihm dann die Nase zeigen“, sagt sie. Und hebt die Hände vor ihre Nase, so wie Kinder, die sich gegenseitig auslachen. Keine Zwänge mehr. Die Liebe zum Leben und die Lust auf Leben, das bleibt. Bis zum Schluss. Zum Abschied sagt sie: „Ich fühle mich jetzt frei, das ist mein Glück.“

Wie das zu verstehen ist, hat dieser Tage ein Fernsehteam in Pfeiffers Hospiz erfahren, als es hier und anderswo zum Thema Glück recherchiert hat. Ausgestrahlt wurde es am 21. 3. im ZDF und ist unter diesem Link auch online zu sehen.

Wer im Glück lebt, denkt nicht an seine Beschreibung. Aber wer hat das Glück je gefunden? Und wer hat es festhalten können, wenn er meinte, es gefunden zu haben?
Das Problem mit dem Glück ist, das niemand wirklich weiß, was es tatsächlich ist. Ständig werden neue Untersuchungen veröffentlicht, die erklären sollen, wo denn nun die glücklichsten und zufriedensten Menschen leben. Die Deutschen gehören jedenfalls nicht dazu. Das Streben nach Glück ist das zentrale Element im Leben eines jeden - die amerikanische Unabhängigkeitserklärung fixiert es gar als humanes Grundrecht.

Können wir etwas dafür tun, dass es uns gut geht, dass wir uns noch mehr freuen, zu leben, und unser Leben genießen - dass wir glücklich sind? Sind wir unseres Glückes Schmied, oder hängt es von Umständen ab, die wir nicht beeinflussen können? Das ist eine Frage, die seit Jahrhunderten immer wieder gestellt wird. In der Antike haben Philosophen darauf Antworten gesucht, heute ist dies eher ein Thema der Psychologen, die uns mit ihren empirischen Untersuchungen beglücken.

Gibt es ein Patentrezept fürs Glücklichsein? Nein. Jeder der sieben Milliarden Menschen auf dieser Welt ist ein Unikat, hat seine eigenen Grundbedürfnisse, Kompetenzen und Vorstellungen. Das macht es uns so schwierig, den richtigen Weg zu finden. Jeder einzelne lebt nicht irgendein Leben, sondern sein eigenes.

Seit einigen Jahren aber scheinen die Deutschen das lang verpasste Glück finden zu wollen, und zwar möglichst schnell. Wir hämmern als unseres Glückes Schmied an unserem Leben herum. Wir ändern unsere Schlaf- und Essgewohnheiten, quälen uns durch neue Sportarten, wechseln in neue Jobs, weil die alten uns nicht mehr erfüllen, suchen neue Bett- und Lebenspartner. Wir tun das immer in der Sorge, dass es nicht reichen könnte zum vollkommenen Glück, dass wir schon wieder den Augenblick verpasst haben, zu dem wir hätten sagen können: Verweile doch, du bist so schön!

Dabei ist der immerwährende Glückszustand eine Horrorvorstellung. Er wäre wie der immerwährende Rausch: Erst verschafft er Weite und Wonne, dann verlangt er nach Dosis-Steigerung, am Ende geht man daran zugrunde. Im immerwährenden Glück darf es keine Traurigkeit geben und keine Melancholie; Schmerz, Tränen oder Misserfolge werden verdrängt oder umgedeutet als Schritt auf dem Weg zum wahren Glück. Nur: Wer nie traurig oder melancholisch sein darf, kann auch kein Glück empfinden. Wer das Unglück nicht kennt, kann das Glück nicht fühlen.

Glück ist schön, aber nicht alles. Glück ist nicht herstellbar. Es entzieht sich gerade dem, der es erzwingen will. Es kommt, wenn man es nicht sucht und am wenigsten erwartet. Und dann ist es auf einmal da, das Glück. Es lässt sich wie ein wildes Tier nicht fangen, nicht zähmen, nicht züchten. Ja, Glück muss frei sein…Und das meint auch Rosemarie Schärf. 

Der Link zur Mediathek: https://www.zdf.de/verbraucher/volle-kanne/videos/glueck-im-hospiz-102.html 

Rosemarie Schärf im Hospiz im großen Gemeinschaftsaum.
(© Pfeiffersche Stiftungen)