Herzschmerz

Das Broken-Heart-Syndrom klingt nach Liebeskummer aus Kitschromanen, ist aber eine ernst zu nehmende Krankheit. Massive emotionale Belastung kann zur Funktionsstörung des Herzmuskels führen. 

„Ein Herz kann man nicht reparier'n, ist es einmal entzwei, dann ist alles vorbei.“ Udo Lindenberg besingt das „gebrochene Herz“ wie vor und nach ihm noch zig andere Liedermacher. Ein Phänomen, das auch Kardiologen beschäftigt: Was zuerst wie ein typischer Infarkt aussieht und dann doch keiner ist – das Broken-Heart-Syndrom, das Syndrom des gebrochenen Herzens. Die Patienten erleiden dieselben Symptome wie bei einem klassischen Herzinfarkt: starke Brustund Herzschmerzen, Atemnot, Todesangst. Im Ultraschall beobachten die Ärzte, dass die linke Herzkammer praktisch nicht mehr arbeitet. Doch suchen sie mit einem Herzkatheter nach der Ursache, finden sich weder verstopfte Gefäße noch Vernarbungen – ist das ein Quasi-Herzinfarkt. „Man geht davon aus, dass ein Überschuss an Stresshormonen für die Funktionsstörung verantwortlich ist. Die kleinen Herzkranzgefäße verkrampfen sich, der Herzmuskel wird schlecht durchblutet und funktioniert nicht mehr richtig. EKG und Labor zeigen die gleichen Veränderungen wie beim Infarkt – und das, obwohl die Gefäße frei durchgängig sind“, sagt Dr. Jochen Molling, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie im Klinikum in den Pfeifferschen Stiftungen. „Mit angst- und stressreduzierenden Medikamenten kriegt man das Syndrom meist in den Griff, in Extremfällen kann die Krankheit tödlich sein. Kaum ein anderes akutes Krankheitsbild zeigt so deutlich, wie eng die Psyche mit dem Körper verbunden ist.“

In der Medizin ist das Broken-Heart-Syndrom, auch Stress-Kardiomyopathie genannt, erstmals in den 1990-er Jahren als eigene Krankheit beschrieben worden. Dabei handelt es sich um eine seltene, spontan einsetzende und oft schwerwiegende Funktionsstörung des Herzmuskels. Bei fast allen davon betroffenen Patienten tritt die Herzkrankheit direkt nach einer extremen emotionalen Belastung auf, beispielsweise dem Verlust eines nahestehenden Menschen, dem Ende einer Beziehung bzw. daraus erfolgendem starken Liebeskummer, einem heftigen Streit, einem Unfall oder Überfall oder gar einer Naturkatastrophe wie ein schweres Erdbeben.

Broken-Heart-Syndrom

In der Regel sind es Frauen, die unter dem Broken-Heart-Syndrom leiden. Sie haben die Wechseljahre hinter sich und sind meist zwischen 50 und Ende 70, wenn sie erkranken. Warum es fast ausschließlich diese Gruppe trifft, ist noch unklar. „Eine Theorie lautet“, so der Chefarzt, „dass der weibliche Körper nach den Wechseljahren besonders stark auf Stresshormone reagiert. Bewiesen ist das bislang nicht. Geschätzte zwei bis drei Prozent aller Patienten mit der Verdachtsdiagnose Herzinfarkt leiden in Wirklichkeit an dieser Form der Kardiomyopathie“, sagt Dr. Molling. Dabei hat die Unterscheidung wichtige Konsequenzen für die Therapie.
Während die Ärzte beim Herzinfarkt die Gerinnsel bekämpfen, welche den Blutfluss blockieren, stehen beim Broken-Heart-Syndrom Maßnahmen gegen die Wirkung der Stresshormone im Vordergrund: Betablocker entspannen das Herz und Beruhigungsmittel den Patienten. Aber welche Vorgänge im Körper lösen denn nun das Syndrom aus? „Wissenschaftler vermuten, dass eine extreme psychische oder körperliche Belastung der Betroffenen das vegetative Nervensystem besonders stark aktiviert. Das bewirkt wohl eine massive Ausschüttung von Stresshormonen in das Blut. Diese wiederum überreizen die Herzwand, vor allem in der Nähe der Herzspitze“, erklärt Dr. Molling. Eine Überladung mit Calzium in die Zellen führe dann wahrscheinlich zur Verkrampfung des Herzmuskels, möglicherweise auch der Gefäße. Und das löse dann Symptome aus, die denen eines Herzinfarkts ähneln, so die Annahme. Trotzdem ist das Broken- Heart-Syndrom nicht harmlos: „Es handelt sich um eine ausgeprägte Funktionsstörung des Herzens, inklusive aller damit verbundenen Probleme“, mahnt Dr. Molling. So kommt es kurz nach der Einlieferung gar nicht so selten zu Komplikationen wie einem Schock, Rhythmusstörungen oder Kammerflimmern. „Deshalb werden die Patienten immer zuerst auf die Intensivstation zur Beobachtung gebracht.“

Ist es auch wichtig, glücklich zu sein, um sein Herz gesund zu halten? Dr. Molling: „Was ist Glück? Das definiert jeder für sich selbst ganz individuell. Und Glück empfinden wir immer nur als Momente. Gemeint ist hier sicher Wohlbefinden. Und da vermute ich, dass das so ist – obwohl es natürlich schwierig ist, das experimentell zu belegen. Allerdings darf man Wohlbefinden und Glück auch nicht als eine Garantie missverstehen, keinen Herzinfarkt zu bekommen! Das wäre ein gefährlicher Trugschluss.“ Berücksichtigen Ärzte bei der Behandlung von Herzkrankheiten psychische Aspekte genug, etwa Stress oder andere psychosoziale Belastungen? „Viele chronisch Herzkranke haben psychische Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Ängste. Die muss man als Kardiologe zwar nicht behandeln – aber unbedingt erkennen können. Und man muss die psychischen Krankheiten dem Patienten nahebringen, so dass er sie akzeptiert und behandeln lässt. Im Extremfall endet die Krankheit mit dem Tod.